Einmal Abwrackprämie bitte

Ich finde die Idee mit der Abwrackprämie ja toll. Die hilft vor allem ja Besserverdienenden und um die kümmert sich in der Krise ja sonst niemand. Was sollen die mit dem ganzen Geld machen? Aktien kaufen? Haben die sicher schon, und jetzt haben sie noch mehr Geld. So eine Kaufgelegenheit ergibt sich schließlich nicht sehr oft. Was machen die jetzt mit dem Geld? Steuer zahlen? Soweit kommt es noch.

Mal ganz ehrlich, wer auf dem Höhepunkt der Krise deutsche Aktien gekauft hat, das ist wie Geld in der Bank. Oder glaubt ihr ernsthaft, dass die Bundesrepublik Lufthansa krachen gehen lässt. Ich gehe auch davon aus, dass Airbus eine sichere Bank ist. Ich habe natürlich keine Ahnung. Sonst hätte ich mittlerweile auch ein Konto auf den Bahamas.

Ein neues Auto wäre allerdings schön. Gibt es die 4000 Tacken auch, wenn man einen Dacia für 6000 Euro kauft. Weil da gebe ich meinen Alten in Zahlung. 2000 sollte der schon noch wert sein. Wie ich den alten Maier kenne, gibt es die nur, wenn man sich einen SUV kauft. Zielgruppe halt.

Was ich echt gebrauchen könnte, wäre ein Pedelec. Was wäre denn, wenn wir statt Auto, so etwas bezuschussen würden? Gäb wahrscheinlich einen Verkehrsinfarkt.

Ich war an Himmelfahrt mit dem Fahrrad unterwegs. Stau! Es gibt ja kaum Radwege und die paar, die wir hier haben, sind in desolatem Zustand und zu eng. Sobald ein paar mehr Leute auf die Idee kommen, mal mit dem Radel zu fahren, ist Schicht. Wen interessieren schon die Radfahrer?

Ich staune auch immer, wie viel Kohle die Bundesregierung rausbläst, um Unternehmen zu retten, die den Großteil ihrer Gewinne in Briefkastenfirmen „versteuern“. Ich las kürzlich, dass jedes einzelne Dax Unternehmen solche Steueroptimierung betreibt. Und dann jammern die über die Unternehmenssteuern hierzulande. Als wenn die das auch nur im Entferntesten jucken würde. Zum Steuerzahlen haben wir ja die Arbeitnehmer und Rentner. Wäre ja noch schöner, wenn Gewinne versteuert werden, wo sie entstehen.

Beschweren wollen wir uns nicht. A) Wir haben genau die Regierung, die wir uns gewählt haben und B) es könnte deutlich schlimmer sein. Gerade im Moment bin ich ganz froh, dass ich in Deutschland wohne und von der Bundesangie regiert werde. Wenn es so weiter geht, tritt die glatt nochmal an. Den Rest der CDU kann man ja im Prinzip im Skat drücken.

Die Welt hat Corona

Langweilig ist uns wohl irgendwie allen. Selbst Leuten, die sich auch ohne Corona gern auf Distanz halten, wird es langsam zu viel. Doch was will man tun?

Nun ja, man könnte sagen scheiß drauf. Wenn ich mich so umsehe, tun das mittlerweile ja auch viele. Im Baumarkt ist jedenfalls halligalli und die Straßen sind auch wieder voll. Bei uns in der Straße wurde dieser Tage gefeiert, weil es im lokalen Markt seit Wochen das erste Mal Klopapier gab. Nicht dass wir welches brauchen, aber es ist ein Zeichen, dass die Normalität zurückkehrt. Oder ist es einfach nur so, dass wir alle durchdrehen?

Wir trinken fein am Zaun Bier, also 1,5 Meter Abstand gewahrt. So wirklich riesig ist der Unterschied nicht im Vergleich zu letztem Frühjahr. Wir wohnen halt auf dem Dorf. Da ist Distanz nicht so das Problem. In einem kleinen Apartment möchte ich mit Kindern grad nicht leben. Das muss die Hölle sein.

Ich persönlich richte mich daran auf, dass es anderen noch schlechter geht. Oder würdet ihr im Moment gern in Großbritannien wohnen oder den USA. Das will ich sonst auch nicht, aber jetzt ganz besonders. Wobei die Briten es wirklich nicht besser verdient haben. Die können jetzt schon mal für den Brexit üben.

Im Ausland wird Merkel übrigens gefeiert. Da gibt es Memes, die fragen, warum ist die Todesrate in Deutschland so viel niedriger als in den USA. Antwort: Die Deutschen haben eine Physikerin als Chef, USA einen Gameshow Host. Da ist schon was dran. Wenn ich sehe, wer im Krisenrat sitzt bei den Amis, man könnte lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Da wird Wrestling mal schnell zu kritischer Infrastruktur, weil Donald mit deren Chef, Vince McMahon befreundet ist und auf Wrestling steht.

Donald ist zugegeben speziell. Ist schon interessant zu sehen, womit der gerade alles durchkommt. Wenn man bedenkt, dass die Republikaner mal die progressive Partei in den USA war, ist schon traurig.

Mir ist langweilig. Ich würde gern mal wieder die Familie wiedersehen und vielleicht auch mal in die Schenke. Man kann ja nicht immer nur zu Hause trinken. Ist eher so ein deutsches Ding. Im Ausland trinkt man weniger zu Hause. Als anständiger Deutscher hat man immer mindestens einen Kasten Bier im Haus.

Wahrscheinlich ist das der entscheidende Unterschied Im Ausland haben die Hamsterkäufer auch eher die Alkoholregale leergeräumt und nicht Klopapier gehamstert. Vielleicht sind wir Deutschen einfach nur ein Level weiter.  

Hunter und Peggy 4 – Getrennte Wege

Als Peggy sagte, sie braucht mal etwas Abstand, hatte sie nicht übertrieben. Das Nächste, was er von ihr hörte war, dass sie in Neuseeland sei. Viel mehr Abstand geht wahrlich nicht. Wahrscheinlich war sie sauer auf ihn. Die Sache mit dem Polizeiauto schien sie ihm wirklich übel genommen zu haben. Dabei war es eigentlich keine große Geschichte, eigentlich mehr so eine Sache, die wirklich nur Hunter passieren konnte.

Vor einigen Wochen – das war direkt nach der großen Abschiedsparty von ihrem guten Freund, an dessen Namen sie sich partout nicht erinnern konnten – waren plötzlich zwei Fahrräder in ihrem Hinterhof aufgetaucht. Sie hatten keine Erklärung dafür woher die kamen, vor allem da die Party woanders stattgefunden hatte, aber nachdem sie sich für mindestens zwei Wochen nicht vom Fleck rührten, beschloss Peggy, dass ihnen die Fahrräder wohl zugelaufen seien. So was hört man ja gelegentlich.

Jedenfalls begannen sie, ganz im Sinne des Erfinders, die Fahrräder zu benutzen. Wenn auch unmotorisiert verkürzte das Fortbewegungsmittel den Weg in ihre lokale Schenke doch erheblich, ganz zu schweigen von der Bequemlichkeit, wenn sie mal wieder in keiner Verfassung zum Laufen waren. Hunter war schon immer der Ansicht gewesen, dass es wesentlich besser sei, schlecht zu fahren als gut zu laufen. Mit dieser These stand er, wie er aus sicherer Quelle wusste, nicht allein.

In mancher Hinsicht war es natürlich unbefriedigend. Wer fährt schon Fahrrad? Die Teile sind reserviert für Kinder, Looser und Idioten, die zu unterbelichtet sind, einen Führerschein zu machen. Hunter und Peggy zählten sich zu keiner dieser Kategorien, doch in Anbetracht ihrer finanziellen Umstände, Peggy weigerte sich nach wie vor, sich einen Job zu suchen und Hunter galt per se als unvermittelbar, mussten sie Kompromisse machen. Vor die Wahl gestellt, ihre leicht abzählbarer Menge Bares in Sprit oder Sprit zu investieren, radelte es sich plötzlich ganz einfach. Hunter hatte noch nie gern anderen beim schlucken zu gesehen und ganz besonders nicht, wenn er die Zeche dafür zahlte. Ein Auto stand also außer Frage.

Dabei hatte er schon als junge Ferse bei Demos von Grünen und Globalisierungsgegnern Transparente mit Sprüchen wie “Lieber Mercedes als per pedes” geschwenkt. Er hatte nie wirklich herausgefunden, was per pedes bedeutete aber die Blümchenfresser waren immer ziemlich sauer auf ihn gewesen. Als wenn ihn so etwas anfechten würde.

Seiner persönlichen Ansicht nach sollte die Friedensbewegung sowieso verboten werden. Wenn die den Planeten retten wollten, müssten sie konsequenter Weise Europa, Ostasien und Nordamerika in die Luft sprengen. Nicht dass er Nordamerika irgendwie vermissen würde, eher im Gegenteil, trotzdem erschien ihm die Sache etwas radikal. So wie er die Müslifresser einschätzte, würden die wahrscheinlich daneben schießen und aus Versehen Mexiko oder noch schlimmer Kuba ausradieren. Nie wieder Tequila? Nie wieder Havanna Club? Da gewöhnen wir uns doch lieber ans Ozonloch.

Was soll schon passieren? Mit etwas Glück würde er seinen Gin-Tonic längst mit Petrus oder dem Gehörnten schlürfen, wenn die Polkappen abtauen. Und wenn nicht, hätte er immerhin ein Haus in bester Lage direkt am Strand. Das hat ja auch seine Vorteile, da könnten Peggy und er in die Wirtschaft paddeln. Da müssten sie endlich nicht mehr wie Versager durch die Gegend strampeln. Er kam sich vor wie ein beschissener Ökofuzzie. Was sollten seine Saufkumpane von ihm denken?

Wenigstens eigneten sich die Fahrräder prima, um Autofahrer in den Wahnsinn zu treiben. Wie es sich für ein echtes Arschloch gehörte, fuhr Hunter natürlich im Schritttempo in der Mitte der Spur und mit besonderer Vorliebe dann, wenn sich ein Bus näherte.

Er hatte eine persönliche Aversion gegen Busfahrer, er konnte diese öffentlichen Nahbeförderer auf den Tod nicht ausstehen. Wenn er sah, wie einer dieser Mützchenträger nach ungefähr fünf Minuten im Schneckengang hinter Hunter herfahrend die Contenance verlor, war sein Tag gerettet.

Allerdings musste er neidlos anerkennen, das Repertoire von Schimpfwörtern und Flüchen, das der Ottonormalbusfahrer so drauf hatte, war nicht von schlechten Eltern war. Wahrscheinlich bekamen sie das von ihren Fahrlehrern mit auf den Weg, bevor man sie auf die Straße entließ. Wahrscheinlich sollte es helfen, Frust abzubauen. Bei den Wutausbrüchen wünschte sich Hunter mehr als nur einmal, er hätte ein Notizbuch und eine Hand frei, um es mitzumeißeln. Ja, Fahrrad fahren kann auch Spaß machen, man muss nur wissen wie.

Nun ja, vor einigen Wochen auf dem Rückweg von seiner Stammkneipe, Peggy und er hatten selbst für ihre Verhältnisse schwer geladen, passierte ihnen ein kleines Missgeschick. Eigentlich passierte das Missgeschick nur Hunter aber Peggy fiel bei der Gelegenheit vom Rad und tat sich ein ganz kleines bisschen weh. Vor allem deshalb war sie sauer und weil er sie ziemlich blöd angemacht hatte hinterher, doch fangen wir von vorn an. Was war passiert?

Peggy und er waren also auf einer kleinen Sauftour gewesen, an sich nichts Ungewöhnliches. Wie üblich, hatten sie Fahrräder genommen und ein paar Ballons steigen lassen, so nannten sie es, wenn sie sich wieder einmal tüchtig abschossen. Alles lief super, nach einem eleganten Abgang vom Barhocker waren sie der Kneipe verwiesen worden, mehr ein lieb gewonnenes Ritual, als alles andere, da sie in ihrem Zustand sowieso nirgendwo mehr reingelassen worden wären, machten sie sich auf den Heimweg, nicht ohne vorher eine Flasche Wodka zu klauen natürlich.

Hunter radelte im allerfeinsten Delirium und ohne sich dessen ernsthaft bewusst zu sein, die Straße entlang. Es war mitten in der Nacht, er fuhr also brav an der Seite, immerhin waren die Straßen leer, es gab also keinen Grund, die Spur zu blockieren. In gewisser Weise erinnerte sich Hunter sogar, dass ihn dieses komische Auto überholte, aber es war wirklich mehr unterbewusst. Offensichtlich – und das ist eine nachträgliche Rekonstruktion der Ereignisse – hielt das Auto direkt vor ihm, was Hunter natürlich völlig entging. Dann kam eins zum anderen. Der Beifahrer öffnete die Tür und wollte gerade aussteigen, als Hunter mit und zu diesem Zeitpunkt auch noch auf seinem Radel ihm von innen in die Tür krachte.

Hunter fiel wie von einer Axt gefällt, zusammen mit seinem Fortbewegungsmittel lag er auf dem Gehweg und dachte angestrengt darüber nach, was wohl geschehen sein könnte. Er blickte auf das Automobil und es schwante ihm, und zwar Böses. Offensichtlich war er nicht irgendeinem Idioten in die Tür gefahren, sondern gleich den größten. Jedenfalls hatte das Auto Rundumleuchten auf dem Dach und an der Seite prangte in fetten Lettern “Bullen”. So ähnlich jedenfalls. Das hatte im gerade noch gefehlt. Dabei hatte er sein diesjähriges Budget für Beamtenbeleidigung schon mehr als ausgeschöpft.

Als guter Staatsbürger unterstützte Hunter natürlich die Ordnungskräfte. Da er keine bessere Idee hatte, jedenfalls keine die Spaß machte und nicht mit Arbeit verbunden war, adressierte er in regelmäßigen Abständen einen oder mehrer Beamte als dumme Arschlöcher. Die erhoben dann die übliche Bürgerpauschale, Hunter zahlte schmunzelnd den Betrag, dafür konnte er sich dann ruhigen Gewissens zurücklehnen und in dem guten Gefühl sonnen, ein guter und nützlicher Staatsbürger zu sein.

Nun hatte er seinen Obolus gerade erst entrichtet und so weit wollte er in der Unterstützung der Wegelagerer eigentlich nicht gehen. Hunter beschloss also, erst einmal abzuwarten und sich blöd zu stellen. Das konnte er wirklich gut, wie ihm auch schon höchstrichterlich bestätigt wurde. Er konnte sich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern, allerdings war es irgendetwas in der Richtung, dass Hunter ein perfektes Beispiel dafür sei, wie sehr das Bildungssystem unter den Sozis krachen gegangen wäre.

Hunter lag also auf dem Gehweg und sah den Nachtwächter oder wie man die Typen in Uniform nennt erwartungsvoll an. Zu seiner Überraschung schien der sich prächtig zu amüsieren, er hatte jedenfalls ein fettes Grinsen im Gesicht. In gewisser Weise konnte Hunter dies sogar nachvollziehen. Er hätte sich wahrscheinlich bepisst vor Lachen, wenn er einen Radfahrer mit der Autotür erwischt hätte. Bei Buddha, versucht hatte er es oft genug.

Der Nachtwächter räusperte sich. Hunter blickte ihn an mit dem staunenden und erwartungsvollen Blick eines Sechsjährigen im Angesicht des Weihnachtsmanns an. “Nun Bürger,” das war offensichtlich adressiert an Hunter. Er konzentrierte sich, um auf keinen Fall etwas Blödes zu sagen und schon gar nicht etwas, was er hinterher bereuen könnte. “Schöner Abend Herr Wachtmeister!” Wohlgefällig nickte dieser. “Und, haben wir denn was getrunken?” Hunter wollte gerade zu einer Antwort ansetzen im Sinne von, er könne nur für sich sprechen, antwortete dann aber doch nur mit einem knappen “Nun ja, das ließe sich wohl kaum leugnen.”

Dem Bullen schien die Antwort zu gefallen. Wahrscheinlich standen sie von Berufs wegen auf reuige Sünder und so wie er im Moment aussah nahm man Hunter das reuig auf jeden Fall ab. “Ihnen ist schon bewusst, dass es eine schwere Ordnungswidrigkeit darstellt, angetrunken ein Fahrzeug zu führen und sei es auch nur ein Fahrrad.” Hunter schwieg. Ihm fiel einfach nichts ein, was er dazu sagen könnte, ohne den Uniformkasper nachhaltig zu verärgern. “Was machen wir nun mit ihnen Bürger?”, frug letzterer unseren gestürzten Helden. “Tja …”

Der Sheriff schaute auf seinen Kollegen, doch der saß immer noch im Auto, biss ins Lenkrad und versuchte nicht lauthals loszulachen. Viel Hilfe hatte er von dem nicht zu erwarten. “Ist ihnen aufgefallen, dass ihr Fahrrad kein Rücklicht hat?” Nun war es an Hunter etwas verwirrt drein zu blicken. “Ich fürchte, dass ist meinem ansonsten recht wachsamen Auge völlig entgangen. Ein unverzeihlicher Fehler Herr Wachtmeister!” Die Antwort gefiel, an Improvisationstalent hatte es Hunter noch nie gefehlt. Er war in mancher Hinsicht ein begnadeter Schauspieler.

“Ich fürchte, ich werde sie mit einer Ordnungsstrafe belegen müssen. Das macht 20 Euro!” Hunter griff wortlos zur Brieftasche. Ein Blick hinein bestätigte seine Befürchtung, dass er ziemlich abgebrannt war. Sein Blick schien Bände zu sprechen. Der Wachtmeister fragte ihn: “Wie viel haben sie denn?” Hunter leerte seine Börse. “Fünf bekomme ich zusammen.” Des Sheriffs Fahrer schien es kaum noch auf dem Sitz zu halten. “Na gut Bürger, da wollen wir mal Gnade vor Recht ergehen lassen. Fünf Euro also.” Hunter reichte ihm wortlos das Geld.

“Und den Rest des Weges schieben sie Bürger. Ist das klar?” Hunter nickte. Der Bulle stieg ohne weitere Ermahnungen ins Auto und entschwand in die Nacht. Hunter wartete noch einen Augenblick, schob das Fahrrad um die Ecke und stieg auf. In dem Moment realisierte er zwei Dinge. Ersten: Das Fahrrad war hinüber und zweitens: Vor ihm lag Peggy, lachte immer noch schallend, hatte dabei aber Tränen in den Augen. Offenbar hatte es sie nicht auf dem Fahrrad gehalten. Peggy hatte es gerade noch um die Ecke geschafft, dann war es vorbei. Bei ihrem Abgang vom Fahrrad hatte sie sich nicht nur ernsthaft weh getan, sondern auch noch die geräuberte Wodkaflasche zerdeppert.

Hunter traute seinen Augen nicht, der schöne Wodka, weg war er und er brauchte nicht lange nachdenken, wie es um ihre Hausbar stand. Die war so leer, da könnte die NASA ihre nächstes Spacelab einbauen, hochreines Vakuum.

Peggy lachte immer noch. Es war einfach zu viel. Hunter tickte völlig aus. Ich kämpfe hier um mein Leben, um unsere schiere Existenz, stürze mich todesmutig in ein Verbalduell mit irgendeinem Nachtwächter und du zerdepperst meinen Wodka? Du musst doch wohl stinken. Habe ich dir nichts beigebracht? Es ist mir Latte, ob du dir den Hals brichst, so etwas verheilt wieder, aber wenn eine Flasche erst mal bricht, ist es vorbei mit an den Munde führen.

Totenstille, Peggy war das Lachen vergangen. In ihr brodelte es. Als wenn sie etwas dafür konnte, dass Hunter ausgerechnet einen Bullen rammen muss. Selbstverständlich hielt es sie nicht auf dem Rad. Mal abgesehen davon, dass sie auch schwer geladen hatte, wie behämmert kann einer eigentlich sein? Und das der Wodka über den Jordan war, tat ihr mindestens genauso leid, wie ihm.

Wenn Peggy irgendetwas nicht leiden konnte, dann wenn sie jemand schräg von der Seite anquatschte. Außerdem fiel ihr gerade auf, dass sie sich wahrscheinlich eine Rippe geprellt hatte. Es tat jedenfalls höllisch weh. Hunter in seiner Bestform merkte wie üblich nichts. Er lamentierte vor sich hin wegen dem beschissenen Wodka, während ihr fast die Tränen kamen. Für den Rest des Abends redeten sie kein Wort mehr miteinander und auch nicht die darauf folgenden Tage. Peggy war sauer und Hunter war nun ja Hunter halt.

Seit dem Abend war irgendetwas im Busch. Peggy führte sich auf, als wenn er die Wodkaflasche zerbrochen hätte. Typisch Weib, nachtragend, zickig, ganz wie Gott sie schuf. Einige Tage später erhielt Hunter die Nachricht, dass sie etwas Abstand brauche. Er dachte sich nicht viel dabei. Seiner Theorie zufolge musste man bei Frauen nur lang genug warten. Die beruhigen sich schon wieder. Peggy schien dieses Mal allerdings sehr verärgert zu sein. Für eine Weile nicht mit ihm zu reden, dagegen ist nichts zu sagen, aber gleich nach Neuseeland zu gehen, schien ihm als Reaktion nun wirklich etwas überzogen.

Wahrscheinlich wollte sie einfach mal wieder jemandem das Herz brechen. So etwas brauchte sie gelegentlich, um ihr inneres Gleichgewicht zu erhalten. Die armen Typen waren hinterher immer total fertig und bettelten noch monatelang. Irgendwie taten ihm die Armleuchter sogar leid. Sie wirkte so harmlos auf den ersten Blick. Tief in ihrem Innern war sie mindestens so abgebrüht wie er; wahrscheinlich sogar schlimmer. Immerhin schlief er mit seinen Exfreundinnen hinterher noch. Wo er darüber nachdachte, vielleicht sollte er seine versoffene Exfreundin mal wieder anrufen. Die muss auch seit Wochen darauf warten, dass er vom Zigaretten holen wieder kommt. Er könnte sagen, dass er sich verlaufen hat. Wenn er sich bloß an ihren Namen erinnern könnte. Irgendwas mit A, da war er sich halbwegs sicher.

Hunter & Peggy 3 – Hunter lernt Französisch

Mourir, c’est partir un peu! Was?, fragte Peggy. Mourir, c’est partir un peu!, antwortete Hunter. Was soll das heißen? Peggy ahnte nichts Gutes. Es soll heißen, dass ich angefangen habe, französisch zu lernen.

Mourir, c’est partir un peu! soll heißen, ich habe angefangen, französisch zu lernen? Bist du mall?

Peggy guckte skeptisch. Ganz im Gegensatz zu Hunter verstand sie ein paar Worte Französisch und der Satz machte gerade gar keinen Sinn; zumindest wenn man normale Maßstäbe ansetzte.

Hunter stolzierte durch das Wohnzimmer wie Pfau auf LSD. Völlig falsch Geschwätzige, Mourir, c’est partir un peu heißt frei übersetzt so viel wie, Tod ist ein wenig wie Abschied. Ich dachte du sprichst französisch.

Ich weiß, was es heißt du Schwachkopf. Ist das der Einzige Satz, den du gelernt hast?

Könnte man so sagen. Warum?

Peggy taxierte Hunter wie die Schlange das Eichhörnchen. Sie hatte eine ungefähre Vorstellung, wohin das Gespräch steuerte. Sie war sich nur nicht ganz sicher, ob sie dafür in Stimmung war. Hunter hatte wieder schwer geladen. Auf der anderen Seite hatte sie nichts weiter vor und gelegentlich machte sogar Spaß, wenn Hunter wieder eine seiner Großtaten vollbracht hatte.

Für sie stellte er den direkten Beweis dar, dass es mit Darwins Evolutionstheorie nicht ganz so weit her war, wie einem die Bleistiftspitzer gelegentlich Glauben machen wollen. Man sagt zwar, dass man ein Buch nicht anhand des Covers beurteilen kann, aber Hunter war nicht nur äußerlich unattraktiv. Soweit es Peggy anging, war der Typ ein einziges Phänomen. Sie könnte schwören, als er zur Welt kam, hat der Doktor nicht dem Baby den Klaps gegeben sondern der Mutter. Sie würde niemals begreifen, wie man sich mit einem Typen einlassen kann. Der Tequila müsste erst noch gebrannt werden.

Immerhin konnte er sehr unterhaltsam sein, auch wenn er es meist unfreiwillig war. Offensichtlich hatte er sich wieder irgendein Ding geleistet und es wurde Zeit herauszufinden, was das war.

Du lernst also französisch? Korrekt, antwortete Hunter. Man muss sich auch mal etwas weiterbilden.

Was ist aus, “scheiß Froschfresser” und “französisch klingt wie eine Schwulenparty beim Eier suchen” geworden. Ach ja und das gute alte:”Ich würde lieber deine Schwiegermutter erschießen, als französisch zu lernen”.

Hab ich das gesagt?, fragte Hunter.

Mehrfach, antwortete Peggy, und ganz besonders gern, wenn mein damaliger Gespiele Sebastian zugegen war, der Franzose.

Oh ja, ich erinnere mich an ihn. Der Fitnessfanatiker mit den deutlich zu engen Leibchen.

Genau der!, antwortete Peggy.

Ich dachte, du wärest froh, dass du ihn endlich los bist.

Ich bin froh, dass ich den Spinner los bin. Die Frage ist, warum du plötzlich französisch lernen willst? Wie heißt sie denn? Wer? Hunter versuchte, seinen Unschuldsblick aufzulegen. Bei Peggy kam er damit nie durch. Sie blieb eisern. Der Grund, warum du französisch lernst, wenn man, wahllos völlig schwachsinnige Zitate auswendig zu lernen, denn so nennen kann. Na komm, sag schon. Hast du wieder irgendeine Minderbemittelte an der Bar abgefüllt und zugetextet?

Wie würde ich denn? Dass Peggy auch immer gleich Salz in die Wunde streuen musste. Hunter war etwas unwohl in seiner Haut. Der Name! Peggy ließ nicht locker. Na sag schon! Oder bist du zu schüchtern. (Sie genoss das) Ist sie so hässlich? Hat sie einen Buckel oder Hörner, einen Bart, … komm schon. Ich warte.

Irgendwas mit A. Ein Moment der Stille. Vor ihrem geistigen Auge stieß Peggy Hunter gerade einen Dolch in den Rücken. Im Bezug auf Frauen war Hunter ein echtes Arschloch. Im Prinzip war er so ziemlich in jeder Hinsicht ein Arschloch, deswegen mochte sie ihn, aber wenn es um Frauen ging, platzte gelegentlich sogar ihr der Kragen.

Irgendwas mit A wie in Anne, Anna, Anifried, Angela, Astrid oder irgendwas im Sinne von keine Ahnung und es ist mir eigentlich auch scheißegal A. Hunter schien ernsthaft überrascht von der Frage. Ich glaube nicht, dass sie Anifried heißt.

Du hast den leisesten Schimmer oder?

Na ja, sie spricht nicht so arg viel Deutsch oder Englisch weißt du.

Wann triffst du sie denn wieder?

Keine Ahnung wann sie aufwacht. Ich glaube, es geht ihr nicht so gut.

Sie ist oben?

Was hast du gedacht?

Oh mein Gott, wie besoffen war die Ärmste?

Ziemlich.

Tequila?

Auch.

Du bist ein solcher Armleuchter, ich fasse es nicht. Wenn du nicht so eklig wärst, würde ich dir eine in die Schnauze hauen. Und wisch dir dieses fette Grinsen aus der Fresse!

Hey, nun mach mal langsam. Sie haut sich an der Bar voll, auf meine Kosten, ist so dicht, dass sie nicht mehr weiß, wo sie wohnt, ich Samariter gebe ihr Obdach für die Nacht und nun bin ich das Arschloch? Das ist ja wohl nicht dein Ernst oder?

Was habt ihr in der Bar gemacht? Hast du ihr deine Lebensgeschichte erzählt? Es war eine eher rhetorische Frage. Ich habe einige Anekdoten zum Besten gegeben, antwortete Hunter. Was hatte Peggy erwartet, Hunter redete nicht übers Wetter.

Ich staune, dass sie dir nicht schon in der Bar vor die Füße gekotzt hat.

Wer sagt, dass sie nicht … HUNTER, das war eigentlich scherzhaft gemeint. Du willst mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass dir irgendeine Schnepfe in einer Kneipe auf die Füße kotzt und du dich stehenden Fußes in sie verliebst?

Ich habe das L-Wort nicht ausgesprochen.

Wie steht es mit dem J-Wort? J-Wort? Französisch, J’aime te!

Könnte sein, dass ich das gesagt habe. Was bedeutet es?

J’aime te! Heißt frei übersetzt in Hunterdeutsch: Ich bin ein Vollidiot. Oder wie wäre es mit, heiho schaut mich an, ich bin ein Wunder der Natur, so doof, dass mich die Schweine beißen oder wenn Doofheit lang würde, könnte ich den Mond im Knien umarmen.

Das ist von Jürgen von der Lippe oder?

Stimmt du Genie. Komisch, dass du so etwas weißt und trotzdem zu blöd bist, dir die Schuhe zuzubinden. Man könnte denken, du warst auf irgendeiner Spezialschule, wo hoffnungslosen Fällen wie dir, den ganzen Tag der Schrott eingebleut wird, der es nicht verdient hat, irgendwo abgedruckt zu werden und der trotzdem für die Nachwelt erhalten bleiben soll … als abschreckendes Beispiel.

Warum bist du eigentlich so sauer? Sind dir schon wieder die Batterien ausgegangen?

Was für Batterien?

AA?

Hunter, du bist ein perverses Schwein!

Es war wieder einer dieser Tage, wo Peggy bereute, aufgestanden zu sein. Nun ja, er war noch nicht verloren. Peggy griff zur Martiniflasche und schenkte sich ein Glas ein. Als wenn ihr die Batterien für den Vibrator ausgehen würden. Schon komisch, ursprünglich war es Hunter, der sie darauf gebracht hatte. Sollte er doch mit seiner vollgekotzten Französin spielen. Santé!

Hunter & Peggy 2 – Hunter und die Weibergeschichte

Weißt du, was Männer an Frauen so faszinierend finden? Hunter blickte Peggy erwartungsvoll an. Brüste?, antwortete Peggy ohne lange nachzudenken. Hunters Blick war wieder einmal Gold Wert. Ja, das auch. Ich meine etwas allgemeiner. Das grundlegende Faszinosum, der rätselhafte Hintergrund des höchstwahrscheinlich von Männern postulierten und immer wieder hinterfragten Ursprung des Mythos vom Weibe, der Evakomplex, den alle heterosexuellen Dreibeine haben, quasi sozusagen.

Es schien wieder einmal eine von diesen Konversationen zu sein, die Peggy in dem Entschluss bestärkten, sich lieber zu erschießen als jemals mit Hunter zu schlafen. Er hatte ganz offensichtlich einen an der Klatsche und es schien ihn nicht im geringsten zu stören, wenn andere das mitbekamen. Er war geradezu aufdringlich in dieser Beziehung. Wann immer er jemanden kennen lernte, sorgte er innerhalb von Minuten dafür, dass sein Gegenüber mitbekam, dass er ernsthaft gestört war. Zumindest hoffte Peggy, das irgendein biologischer Defekt dahinter steckte. Den Göbel, den Hunter im Verlaufe eines Tages so von sich gab, nicht auszudenken, wenn das einem gesunden Hirn entsprang.

Nun Hunter, was – abgesehen von Brüsten – fasziniert Männer so an Frauen, dass sie sich permanent und in aller Öffentlichkeit zum Idioten machen, auf die vage Hoffnung hin, dass vielleicht etwas Sex am Ende dabei rausspringt. Wirklich es interessiert mich!

Hunter schaute etwas perplex. Was meinst du mit, Männer machen sich permanent und in aller Öffentlichkeit zu Idioten. Denkst du wirklich so über uns? Na ja, antwortete Peggy, ich denke dabei natürlich ganz besonders an dich, aber ja, ich glaube schon, dass Männer im Allgemeinen etwas unterbelichtet sind und … sagen wir es mal so … wo bei Frauen das Großhirn sitzt, bei Männern eher öde Leere herrscht.

Interessanter Hinweis Peggy. Ich werde das in meine Betrachtungen mit einbeziehen. Denkst du, dass deine Sichtweise einigermaßen repräsentativ ist? Peggy gefiel gar nicht, wohin dieses Gespräch steuerte. Wahrscheinlich würde Hunter wieder einen seiner Anfälle kriegen und sich an der Bar die Rübe vollhauen. Andererseits würde er das sowieso machen, warum sollte sie ihn nicht noch etwas quälen.

Hunter? Hörst du mir zu? Selbstverständlich!, antwortete Hunter. Ich glaube, dass – etwas verallgemeinernd gesprochen – Männer Vollidioten sind. Warte, das trifft es nicht ganz. Männer sind schwanzgesteuerte Vollidioten, mit dem Intelligenzquotienten einer tiefgefrorenen Kartoffelsuppe. Damit liegen sie auf der allgemein gültigen Begabtheitsskala minimal unter einem Zwergpudel. Immerhin kann der sich selbst am Arsch lecken!

Hunter sah Peggy an. Könnte es sein, dass du lange nicht mehr flach gelegt wurdest Peggy? Du musst dir dringend einen Vibrator anschaffen. So geht das nicht weiter. So wie du über die Krone der Schöpfung redest, könnte man denken, du magst keine Männer. Persönlich hätte ich natürlich nichts dagegen, wenn du lesbisch wärst, da könntest du mir immer deine Freundinnen vorstellen.

Peggy unterbrach ihn: So wie Claire meinst du? So in etwa antwortete Hunter. Nun ich weiß, dass du in etwa das Erinnerungsvermögen eines drei Tage alten Kamelkadavers hast, aber wenn du dich freundlichst daran erinnern würdest, was ich dir über Claire gesagt habe, bevor sie uns besuchen kam. Du meinst, dass ich die Finger von ihr lassen soll? Genau, den Teil meine ich. Nun ja vielleicht hättest du etwas spezifischer sein sollen.

Hunter! Ich will gar nicht wissen was ihr getrieben habt, OK? Nein, ich meine, wenn du ernsthaft glaubst, dass ich dir Frauen zu Hause anschleppe, damit du sie hinterher flach legen kannst, bist du noch erheblich unterbelichteter, als ich ursprünglich dachte.

Peggy! Ganz ernsthaft! Kauf dir ‘nen Vibrator! Du bist wieder unausstehlich heute. Vielleicht sollten wir zurück auf das eigentliche Thema kommen. Frauen? Genau, was fasziniert Männer so an Frauen?

Ich habe da eine Theorie. Ist dir schon mal aufgefallen, dass Frauen nie allein auf die Toilette gehen? Es war an Peggy, entgeistert zu gucken. Das Einzige was dich an Frauen fasziniert ist, dass sie in Gruppen aufs Klo gehen?

So würde ich es nicht formulieren.

Wie dann?

Eines der faszinierenden Rätsel von Frauen ist, dass sie in Gruppen auf die Toilette gehen. Ich meine, es ist ja nicht so, wie auf dem Männerklo, wo man einträchtig nebeneinander steht, schwätzt und vielleicht heimlich Schwänze vergleicht. Immerhin sitzt ihr … warte, ihr sitzt doch in getrennten Boxen oder?

Hunter, du bist ein perverses Schwein! Können wir das Thema wechseln?

Hunter war etwas enttäuscht. Das Gespräch war nicht so gelaufen, wie er gehofft hatte. Eigentlich wollte er nur wissen, wie Frauen es schaffen, eine komplette Campingausrüstung in eine Damenhandtasche zu bekommen. Das war es, was ihn am meisten faszinierte. Irgendwie schienen Frauen in der Lage zu sein, die Gesetze von Raum und Zeit auszuhebeln. Egal, wonach man Peggy fragte, sie zauberte es aus ihrer Handtasche. Wahrscheinlich hatte sie nicht nur Kleidung zu Wechseln, sondern auch noch passende Schuhe bei sich. Und dazu Zahnbürste, Handtuch, Zigaretten, Schlüssel, ein Buch, Börse und wer weiß was noch und das alles in dem von außen winzigen Handtäschchen. Wie machten Frauen das?

Gerade als er ansetzen wollte, sie danach zu fragen, fing sie mit dem Schweinkram an. Als wenn ihn das interessieren würde. Die Zeiten, als er notgeil durch die Bars zog, nur um sich hinter doch selbst einen runter zu holen, waren längst vorbei. Das ist das Schöne am Alter. Die meisten Dinge sind einem egal oder man vergisst sie innerhalb von 5 Minuten. Wenn man ihn so ansah, in eine schummrig beleuchteten Bar ging er immer noch für vierzig durch. Nun war Hunter eigentlich erst Mitte dreißig, aber das sah man ihm nicht an. In ein zwei Jahren, würde er wahrscheinlich ermäßigte Kinokarten kaufen können. Das Leben hatte seine Spuren hinterlassen. Daran gab es keinen Zweifel. Das die Natur ungerecht, zickig und potenziell bösartig ist, merkte man schon an ihrem Genus – weiblich. Wenn Peggy wüsste, was gerade in seinem Kopf vorging, würde sie ihn wahrscheinlich wieder nach nassen Persern fragen. Weiber!

Hunter & Peggy 1 – Eine unsägliche Geschichte

Egal wie bescheuert man ist, egal was für einen Schrott man in einem Anfall von geistiger Umnachtung gekauft hat, es wird immer jemanden geben, der scharf darauf ist. Wir nennen es das Prinzip des größeren Idioten. Im Grunde basiert eBay auf genau diesem scheinbar fundamentalen Naturgesetz. Wenn man sich auf deren Webseite eine umschaut, beginnt man zu verstehen, warum die Welt ein so seltsamer Ort ist und eines schönen Tages von Außerirdischen ausradiert werden wird. Wir verdienen es nicht besser. Die Zeit und Energie, die Menschen auf extremen Schwachsinn verschwenden, statt sich dringlicheren und nützlicheren Aufgaben zu widmen, ist beeindruckend.

Dabei reflektiert eBay nur eine Seite der Medaille, den materiellen Aspekt. Das Prinzip des größeren Idioten funktioniert auch anderswo, im alltäglichen Leben zum Beispiel. Egal wie dämlich man sich anstellt, es wird immer jemanden geben, der einen über- bzw. unterbietet. Das klappt solange, bis man den König trifft, den größten Idioten von allen. Und damit kommen wir zum Helden dieser Geschichte: Hunter.

Peggy konnte sich nicht mehr genau erinnern, wann sie Hunter das erste Mal traf, doch es war eine schicksalhafte Begegnung. Sie liebte exotische Typen und nicht nur in der Hinsicht war Hunter ein besonderes Exemplar. Den Typen musste man erlebt haben, um zu glauben, dass er existiert. Nun bedurfte es keines Genies, um heraus zu finden, dass Hunter nicht unbedingt der Hellste war, allerdings dauerte es ein paar Tage bis sie merkte, auf was für einen Schatz sie da gestoßen war.

Hunter war offensichtlich etwas unterbelichtet, litt unter Geschmacksverirrung und ihn einen gottlosen Säufer zu nennen wäre eine krasse Untertreibung, doch das allein war es nicht. Hunter kannte keinerlei Limit, keine Selbstbeschränkung, er hatte geradezu eine Aura des Schrecklichen. Das begann mit seiner Kleidung und endete mit dem Müll, den er den ganzen Tag von sich gab. Dabei verstrahlte er eine gewisse Erhabenheit, Einzigartigkeit. Als sie das erste Mal in seine Wohnung betrat, wurde ihr schlagartig bewusst, was ihn so besonders machte. Sie hatte einen echten Volltreffer gelandet. Hunter war nicht irgendein Idiot, sie hatte den König kennen gelernt.


Nasser Perser?, fragte Peggy. Er sieht aus wie ein nasser Perser? Was soll das wieder heißen? Hunter blickte Peggy einen Moment lang ins Gesicht. Er hatte sich lange daran gewöhnt, dass sie nicht zuhörte, wenn er ihr etwas erzählte, doch das war selbst für ihn zuviel. Da erklärte er ihr seit einer halben Stunde lang, wer Ron Jeremy ist und dann fragt sie ihn nach nassen Persern.

Ich sagte: Er sieht aus wie ein Perverser! Ron Jeremy sieht aus wie ein ständig schwitzender, unmäßig behaarter und leicht übergewichtiger Perverser und genau deshalb ist er der größte Pornostar aller Zeiten. Was ist daran schwer zu verstehen?

Obwohl Peggy ein steter Quell der Inspiration war, würde sie ihm ein ewiges Rätsel bleiben. Eigentlich wusste er nichts über sie. Dabei redete sie praktisch pausenlos. Sie hatten sich allerdings gleich am Anfang darauf geeinigt, dass er nicht zuzuhören brauchte, solange er ein gelegentliches aha oder ja, ja einstreute. Seitdem das geklärt war, verstanden sie sich prächtig. Ein solches Missverständnis hatte es noch nie gegeben.

Peggy entschuldigte sich. Du weißt, sagte sie, bei jedem anderen hätte ich den Satz wahrscheinlich ergänzt, obwohl ich etwas völlig anderes verstanden habe, aber bei dir kann man sich nicht sicher sein. Dir würde ich mühelos zutrauen, dass du wirklich nasser Perser sagst.

Hunter war sich nicht sicher, ob das jetzt ein Kompliment sein sollte, oder sie ihn wieder mal verarschen wollte. Das eigentliche Problem war auch nicht das Missverständnis, das Problem war, dass Peggy ihm mit ihrem nassen Perser einen Floh ins Ohr gesetzt hatte. Plötzlich sah Hunter überall nasse Perser und für seine Verhältnisse war er relativ nüchtern.

So wie sie beide aussahen, machte es natürlich keinen großen Unterschied, ob sie hier und da in scheinbar grundloses Lachen ausbrachen. Die meisten Leute dürften ohnehin gedacht haben, sie kämen frisch aus der Anstalt. Allerdings war das natürlich nur die Oberfläche. Hunter, tief in seinem kleinen Herzen, war ein Genie.

Er stand nur Millimeter vor der Formulierung seiner großen These. Heute wäre der Tag gewesen, der Moment der Erleuchtung, der Verkündigung, Enthüllung, der Befreiungsschlag, der Moment der Wahrheit in dem Hunter sich von all dem Ballast hätte befreien können, den er seit Jahren mit sich herum schleppte. Und dann kommt Peggy mit ihren nassen Persern.

Zum Heulen war’s, aus die Maus, Ende im Gelände, der Schwanz ist ab, Ruhe im Schuh, Schicht im Schacht, Kwasinietzki, des wird nix mehr, das Pony ist tot, der Elch geritten, … das Einzige was Hunter heute noch formulieren würde, wären berühmte letzte Worte. Es lebe der Genitiv, des Schusters Alte hat ne Meise, zum Munde der Krug bis du brichst.

Es war jedes Mal dasselbe. Da wollte er die Welt retten und dann funkte ihm irgendjemand im letzten Moment dazwischen. Die Geschichte seines Lebens. Zeit, sich einem lieb gewordenen Ritual zu widmen. Es mag Leute geben, die mehr trinken als Hunter, allerdings blieb die Professionalität, mit der er sich besoff unerreicht. Zum Glück waren sie endlich am Ziel ihres kleinen Spaziergangs. So würdevoll wie ihnen nur irgend möglich, betraten sie die Bar.

Angenommen, du hast aus Versehen die Partition gelöscht …

Ich sage ganz offen ehrlich, hätte mir jemand vor ein paar Tagen erzählt, dass er sich aus Versehen eine Partition auf seiner Festplatte gelöscht hat, als DAU wenn nicht Vollidioten hätte ich ihn tituliert. Mittlerweile weiß ich, wie schnell einem das passieren kann. Sagen wir mal so; im Gegensatz zu alten Computern erkennen modernere Geräte externe USB Festplatten schon auf BIOS Level. Ist zwar gut zu wissen, war mir aber neu. Na ja, nicht wirklich, aber in einem Moment der Schwäche habe ich nicht daran gedacht.

Ich hatte es tatsächlich geschafft, mir bei der Einrichtung meines niegelnagelneuen Rechners die eine und einzige Partition auf meinem einen und einzigen Backup Gerät zu löschen. Autsch! Auf dieser externen Festplatte lagen nicht nur alle Daten (die hätte ich zur Not vom alten Rechner wiederherstellen können), nein auch alle Fotos der vergangenen Jahre, Filmchen und was sich so im Laufe eines Computerlebens ansammelt. Der Verlust des Laufwerks wäre ein herber gewesen und ich war nicht gewillt, einen derart hohen Preis für meine Doofheit zu zahlen. Ich begann also zu recherchieren, wie man das rückgängig machen kann.

Dass es möglich war, eine gelöschte Partition wiederherzustellen, wusste ich mit ziemlicher Sicherheit. Es ist eines der Standardfeature von Windows getriebenen Maschinen, dass sie zwar sagen, dass sie etwas gelöscht haben, dass es aber in aller Regel nicht stimmt. Im Normalfall werden Dateien nicht gelöscht sondern nur “ausgeblendet”. Es ist immer lustig, was man so auf gebrauchten Festplatten findet. Anscheinend scheinen die meisten Leute sich nicht bewusst zu sein, dass Daten nicht von der Festplatte “verschwinden”, wenn man Sie löscht. Solange die entsprechenden Sektoren nicht wieder überschrieben wurden, ist es relativ einfach, die Daten wiederherzustellen.

Ich war mir also sicher, dass dieser Trick auch mit der FAT funktioniert, nur wusste ich nicht wie. Ich machte mich an die Recherche. Der Microsoft Support präsentierte eine Lösung, die – wie man das von deren Support erwarten kann – nicht völlig falsch war, allerdings auch nicht wirklich weiter half. Das können die Microsoftianer gut, da haben sie auch 30 Jahre Erfahrung drin. Die Lösung half also nicht.

Neben nutzlosen Ratschlägen von Microsoft fand ich noch einen ganzen Haufen Tools, die versprachen, das Problem zu lösen, wenn man 70 Dollar zahlt. Ich nehme den Leuten nicht übel, dass sie 70 Dollar dafür nehmen, allerdings war mich nicht gewillt, mich von einer solch unverschämt hohen Summe zu trennen. So verzweifelt war ich nicht. Ich recherchierte also weiter.

Es dauerte eine Weile, aber schließlich wurde ich fündig. Ein gewisser Christophe Grenier bietet auf seiner Seite: http://www.cgsecurity.org/wiki/TestDisk ein Tool an, was meinen Fehler zu beheben versprach und das auch noch für lau. Das klang doch mal gut.

Ich lud es herunter und probierte es. Ein schwarzer DOS Screen mit prompt gesteuerter Benutzerführung. So etwas hatte ich echt lange nicht gesehen. Ich war nervös, sehr nervös. Beim Wiederherstellen einer Partition hat man höchstwahrscheinlich nur einen einzigen Versuch. Wenn man das abf*ckt, gehen die Daten in die ewigen Jagdgründe.

Ich las die Anleitung noch einmal. Als mich die Software beim finalen Schreibkommando fragte, ob ich sicher bin, war ich versucht zu sagen: Nein. Ich war es wirklich nicht. Schließlich drückte ich die ENTER Taste. Sekunden später startete Windows den Autostart für neue Laufwerke. Die Festplatte war wieder da und mit ihr all meine Daten. Es hatte funktioniert.

Ich bezahle normalerweise nicht gern für Sachen, die meiner Ansicht nach umsonst zur Verfügung stehen sollten. In diesem Fall machte ich eine Ausnahme. Christophe Grenier hat einen Spendenbutton auf der Seite und ich habe ihm 10 Euro überwiesen. Die hat er sich verdient. Das Tool ist hässlich wie die Nacht aber es funktioniert. Nur das zählt.

Es rettet gelöschte Partitionen, stellt BIOS Passwörter und gelöschte Dateien wieder her, angeblich sogar beschädigte Partitionen. Ich habe nur das FAT Tool getestet und das hat funktioniert. Soweit es mich angeht funktioniert die Software und Christophe Grenier ist ein Rockstar! Eine ausführliche Anleitung ist dabei, der man einfach nur zu folgen braucht. Ein schnelles Gebet schadet sicher nicht.

Der vergessene Präsident – Herbert Hoover

Erstaunlich wenige Leute kennen Herbert Hoover, dabei hat der Mann Besseres verdient. Er ist der US Präsident mit dem mit Abstand schlechtestem Timing aller Zeiten. Dabei war er – zumindest vor seinem Amtsantritt – ein hoch angesehener Technokrat, Wirtschaftsexperte und nicht zuletzt bekannter Philanthrop. Seinen Bemühungen im ersten Weltkrieg retten Hunderttausende vor dem Hungertod.

Der deutschstämmige Hoover hatte klein angefangen. Seine Eltern starben früh und so musste er sich weitestgehend selbst durchschlagen. Durch harte Arbeit schaffte er es an die gerade neu gegründete Stanford Universität und graduierte als Geologe. 1897 ging er nach Australien, wo er schnell Karriere machte und den Grundstein legte für den Aufstieg Australiens in die erste Liga der Bergbaustaaten. Unter anderem entwickelte er ein Verfahren, bei dem Zink, das bis dahin ein Abfallprodukt in den Silberminen war, gewonnen werden konnte. Mit einigen Partnern gründete er die “Zinc Corporation”, heute Teil des Superkonzerns Rio Tinto.

Sein nächster Stop war China. Dort lernte er – ganz nebenbei wie man sagt – Mandarin. Auch in China arbeitete er als Ingenieur, seine Arbeitgeber Bewick, Moreing & Co. machte den vielversprechenden Hoover derweil zum Teilhaber. Hoover heiratete seine Jugendliebe und eigentlich lief alles recht gut. In China geriet er kurz in die Wirren des Boxerkrieges und auch dort machte er sich nützlich. Dank seiner intimen Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten, konnte er Truppen in der Schlacht durch das unwegsame Gelände um Tianjin leiten und ihnen so einen entscheidenden Vorteil verschaffen.

Ab 1908 wure er zum echten Globetrotter. Er unterrichtete in Stanford und Columbia und sein Skript wurde unter dem Namen Principles of Mining zum Standardwerk für angehende Geologen. Zusammen mit seiner Frau übersetzte er De re metallica aus dem Lateinischen. Das Buch des Georgius Agricola ist ein Klassiker zum Thema Bergbau und Hoovers Übersetzung bis auf den heutigen Tag in Verwendung.

Eine Wende im Leben der Hoovers war der Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Er half bei der Evakuierung von 120.000 Amerikanern aus Europa und organisierte humanitäre Versorgung von Flüchtlingen. Von Woodrow Wilson zum Leiter der Nahrungsmittelverwaltung ernannte, bewahrte er Hunderttausende vor dem Hungertod. Sein Engagement führte er später fort. Nach dem zweiten Weltkrieg führte er die nach ihm benannte Hooverspeisung ein, die unter dem Namen Schülerspeisung bis heute überlebt hat. Ziel war es, Kinder vor Hunger und Unterernährung zu bewahren.

Der erste Weltkrieg war aber noch in anderer Hinsicht ein Wendepunkt. Hoover stand plötzlich in der Öffentlichkeit und von dort gab es kein zurück. Nach dem Krieg kehrte er in die Heimat zurück und wurde unter Woodrow Wilsons Nachfolgern – Warren G. Harding und Calvin Coolidge – Wirtschaftsminister. 1928 schlug schließlich seine große Stunde. Er wurde Präsidentschaftskandidat der Republikaner und gewann die Wahlen von 1928 erdrutschartig. Am 4. März 1929 wurde er als 31. Präsident der Vereinigten Staaten von seinem Vorgänger William Howard Taft vereidigt.

Die Erwartungen an Hoover waren immens. Schließlich hatte er sich einen Ruf als Wirtschaftsexperte erworben. Wie bitter muss es für ihn gewesen sein, als knapp 7 Monate später die Welt in Form der Weltwirtschaftskrise in den Abgrund stürzte. Ironie des Schicksals, der Wirtschaftswundermann wurde zum Sinnbild der großen Depression. Er schaffte es in der Folge nicht, das Ruder herum zu reißen, obwohl viele seiner Maßnahmen durchaus Sinn machten. Hoover glaubte jedoch an das Prinzip der Freiwilligkeit und genau das war sein großer Irrtum. Das ist eine der wichtigsten Lehren aus der Geschichte der Krisenbewältigung und viele Regierungen haben sie bei der Bewältigung der aktuellen Krise beherzigt.

Nach Ablauf seiner Amtszeit wurde er gerade zu aus dem weißen Haus gejagt. Sein Nachfolger Roosevelt versprach mit den “New Deal” einen Neuanfang und neue Hoffnung für Millionen. Was blieb sind Hoovervilles, das ist der Name, den man in jenen Tagen den Slums gab, die als Resultat der Wirtschaftskrise entstanden.

Hoover war verbittert und man kann es ihm kaum übel nehmen. Für Jahre mied er Washington und genoss in Kalifornien ein Pensionärsleben. Das Verhältnis zu Roosevelt galt als gespannt. Hoover ließ kein gutes Haar an ihm. Roosevelt auf der anderen Seite votierte sogar dafür, den nach seinem Vorgänger benannten Hooverdamm umzubenennen.

Im zweiten Weltkrieg war er zunächst ein Verfechter des Isolationismus. Er wollte die Festung Amerika ausbauen, statt sich die Hände in Europa schmutzig zu machen. Mit Pear Harbour änderte sich seine Haltung und er rief nach einem totalen Sieg. Das Weiße Haus verzichtete auf seine Dienste und das obwohl er alle persönlichen Gefühle beiseite schob und sich anbot.

Nach dem Zweiten Weltkrieg (und dem Tod Roosevelts) wurde er dann doch noch einmal in die Pflicht genommen. Truman berief ihn – in Erinnerung an seine Rolle im ersten Weltkrieg – um die Nahrungsmittelversorgung im besetzten Deutschland sicher zu stellen.

In Hermann Görings altem Zug tourte er durch die westlichen Besatzungszonen und machte sich ein Bild von der Lage. Das Resultat war eine Reihe von Berichten in denen er die Besatzungsmächte scharf kritisierte. Eines seiner bekanntesten Statements war: “There is the illusion that the New Germany left after the annexations can be reduced to a ‘pastoral state’. It cannot be done unless we exterminate or move 25,000,000 people out of it”

Übersetzt heißt das soviel wie: Es gibt die Illusion, dass das neue Deutschland nach der Besetzung langfristig eine ländliche Ökonomie wird. Das allerdings ist unmöglich, es sei denn wir sind bereit, 25 Millionen Menschen zu töten oder ins Exil zu schicken. Worauf sich Hoover hier bezog war der sogenannte Morgenthau Plan. Den hatte zwar schon Roosevelt als illusorisch abgetan, offenbar hatte sich das aber noch nicht ausreichend herumgesprochen.

Das wichtigste Ergebnis seines Engagements war jedoch die schon angesprochene Hooverspeisung. In den folgenden Jahren wurden ihm etlichen Ehren angetragen und sein Ruf weitgehend wiederhergestellt. Schon bald nach seinem Tode wurde er jedoch vergessen. En bisschen mag das an seinem illustren Namensvetter gelegen haben (J. Edgar Hoover), trotzdem ist es ein wenig ungerecht. Er war sicher nicht der schlechteste Präsident aller Zeiten und gerade wir verdanken ihm sehr viel. Aber so ist das Leben – ungerecht.

Wer kennt Monika Ertl?

Es gibt so Leute, die würde man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lieben und verehren, wenn man sie denn nur kennen würde. Monika Ertl ist so ein Mensch. Wie ist das?

Millionen Menschen laufen in Che Guevara T-Shirts rum oder haben ein Che Poster an der Wand; einen Sticker, Aufkleber was auch immer. Die Frau, die seinen Tod gerächt hat, kennt dagegen kein Mensch. Dabei hat sie alles Potenzial zu einer Heldin der Revolution. Sie war jung, schön, talentiert und kämpfte mit der ELN im Dschungel Boliviens gegen das Militär. Und Sie war es, die am 1. April 1971 Quintanilla Pereira erschoss.

Pereira war zu der Zeit Boliviens Generalkonsul in Hamburg. Hinter dieser Fassade hatte er Zuflucht gesucht, um dem Fluch Fidel Castros zu entgehen. Bevor er sich den Anstrich eines seriösen Diplomaten gab, war er Geheimdienstchef seines Heimatlandes und direkt verantwortlich für zahllose grausame Hinrichtungen und Attentate.

Castro hatte den Mördern von Che Guevara Rache geschworen und Quintallas Name stand auf dieser Liste ganz oben. Er war verantwortlich für das Attentat auf den kubanischen Revolutionshelden und auf seinen Befehl hin hackte man dem toten Commandante nach der Ermordung auch noch die Hände ab; als Beweis für seinen Tod.

Zu Pereiras Opfern zählte Che genauso wie sein Nachfolger Inti Peredo. Der war ganz nebenbei auch noch Monika Ertls Liebhaber und es grenzte fast an ein Wunder, dass sie in der Nacht des Überfalls nicht an seiner Seite war. Monika Ertl hatte allen Grund Roberto Quintanilla zu hassen und das tat sie ganz offensichtlich. Im Sommer 1970 verfasst sie dieses kurze Gedicht:

“Quintanilla, Quintanilla….,
Du wirst in Deinen Nächten keinen Frieden mehr finden…
Du raubtest Inti das Leben
Und du meintest das ganze Volk.”

Pereira wusste um offenbar um die Todesliste und dass die Linksextremisten weder Kosten noch mühen scheuen würden, um seiner habhaft zu werden. Er ging also nach Hamburg. Womit er offenbar nicht gerechnet hatte war Monika Ertl. Sie hatte sich dem bolivischen Untergrund angeschlossen, geboren war sie allerdings in Oberbayern.

Ihr Vater war ein hoch begabter Filmemacher und sie wuchs in der bürgerlichen Behaglichkeit des Nachkriegsdeutschlands auf. 1954 wanderte die Familie nach Bolivien aus. Hans Ertl war offenbar verärgert, dass er für seine Dokumentation über den Nanga-Parbat keinen Filmpreis bekommen hatte. Das sagt wohl einiges über sein Temperament aus.

Der Vater kaufte eine Farm in Bolivien, blieb aber Deutscher mit Herz und Seele. Monika wuchs behütet auf, aber mit allen Freiheiten, die sich einem in dieser Umgebung bieten. Sie wurde erzogen wie ein Junge, lernte schießen, kletterte mit dem Vater und zog mit ihm in den Dschungel. Geerbt hatte sie offenbar sein Temperament, nicht jedoch sein eher konservatives Weltbild. Außerdem schien sie seine NS Vergangenheit zu stören. Es kam zum Bruch zwischen den Beiden und nicht nur das.

Obwohl zu dem Zeitpunkt durch ihre Heirat wohl etabliert in der bolivianischen Oberschicht, lagen ihre Sympathien mit den armen und unterdrückten Indios. Als es zum Bruch kam, ließ sie sich – obwohl erzkatholisch erzogen – scheiden und kappte alle Verbindungen. Sie nahm eine neue Identität an als Imilla und zog in den Dschungel. Dort verliebte sie sich in Inti Peredo, den “Nachfolger” Che Guevaras. Ab dem Zeitpunkt bekämpfte sie das Establishment und das auch mit der Waffe. Sie war ein ausgezeichneter Schütze. Als er ihr das Schießen beibrachte, hätte ihr Vater sich sicher nicht hätte träumen lassen, wofür das einmal gut sein sollte.

Nach dem Attentat auf ihren Erzfeind Roberto Quintanilla Pereira in der bolivianischen Botschaft in Hamburg entkam Monika Ertl auf wundersame Weise. Es gab damals viel Spekulation in den Medien. Sie ging zurück nach Bolivien. Durch ihre Tat hatte sie sich hoch gestellte Feinde gemacht und war spätestens ab diesem Zeitpunkt auf einer eigenen Todesliste. 20.000 Dollar Preisgeld waren auf sie ausgesetzt. Auf eine solche Summe hatte es nicht mal der “Commandante” selbst gebracht. Auf Che waren gerade einmal 4200 Dollar ausgesetzt gewesen.

Im Mai 1973 wurde sie in einen Hinterhalt gelockt und erschossen. Ihr Leichnam wurde verscharrt. Verraten hatte sie wohl ein alter Freund der Familie; Klaus Altmann. Besser bekannt ist der unter seinem richtigen Namen Klaus Barbie, Gestapo-Chef im besetzten Frankreich und berüchtigt geworden als “Schlächter von Lyon”.

Vielleicht war sie ihm auf die Schliche gekommen und geriet so ins Visier des prominenten Ex-Nazis. Der hatte jede Menge Erfahrung bei der Bekämpfung von Partisanen und war ein geschätzter Berater des bolivianischen Sicherheitsdienstes. In Deutschland wurde die Akte nach ihrer Ermordung geschlossen.

Monika Ertl blieb die mutmaßliche Mörderin des bolivianischen Botschafters und im Boulevard bekannt als Che Guevaras Racheengel.

Anscheinend geriet ihre Geschichte in Vergessenheit, dabei hat alles Potenzial für eine Verfilmung. Vielleicht gibt es ja irgendwann einen Teil 3 zum aktuellen Film von Steven Sonderbergh.

Verdient hätte sie es irgendwie. Monika Ertl war eine schillernde Figur und nicht zuletzt ein Kind ihrer Zeit. Das darf man ihrer Beurteilung nicht vergessen.